Zwischen Hörsaal und Straße: Studierendenproteste in Serbien im Fokus

Am 6. Februar 2025 fand an der Universität in Regensburg ein Gespräch zwischen Mitgliedern der Hochschulgruppe für Außen- und Sicherheitspolitik (HSG) und Studierenden der Fakultät für Politikwissenschaft an der Universität in Belgrad statt. Im Mittelpunkt stand die anhaltende Protestbewegung in Serbien, die seit Ende 2024 das Land bewegt. 

Der Auslöser der Proteste war der Einsturz eines Bahnhofs in Novi Sad am 1. November 2024, bei dem 15 Menschen ums Leben kamen. Bis heute gab es keine Festnahmen oder offizielle Schuldzuweisungen, was in der öffentlichen Wahrnehmung als weiteres Beispiel für Korruption und mangelnde Rechenschaftspflicht gesehen wird.

Die Protestbewegung gewann weiter an Dynamik, als Ende November ein Student der Fakultät für darstellende Kunst von regierungsnahen Akteuren angegriffen wurde. Dies führte zu ersten Blockaden an dieser Fakultät in Belgrad, die sich rasch auf das ganze Land ausweiteten. Seitdem versammeln sich die Studierenden wöchentlich, später täglich, zu einer 15-minütigen Schweigeminute um 11:52 Uhr, um der Opfer der Bahnhofskatastrophe zu gedenken.

Die Proteste erreichten schnell eine große Tragweite. Einer der bedeutendsten Proteste fand am 22. Dezember 2024 auf dem Slavija-Platz in Belgrad mit rund 100.000 Teilnehmenden statt. Auch an Silvester versammelten sich Studierende und Bevölkerung, um ihre Forderungen zu unterstreichen. Besonders symbolisch war der Marsch von Belgrad nach Novi Sad – eine Strecke von etwa 90 Kilometern – die die Studierenden zu Fuß zurücklegten. Während der zweitägigen Wanderung wurden die Demonstrierenden in jedem Dorf und Ort herzlich empfangen und mit Essen, Getränken und Obst versorgt. Beim Erreichen von Novi Sad warteten Tausende Menschen auf sie, viele brachen in Tränen aus und überreichten Medaillen. Einer der Panelisten nahm selbst an diesem Marsch teil und schilderte eindrucksvoll die Emotionen und den Zusammenhalt, den er auf dieser Reise erlebte.

Darüber hinaus erzählten die Studierenden über die Organisation innerhalb der Bewegung: Die Protestbewegung folgt einer basisdemokratischen Struktur ohne feste Anführung. Studierende, die mit den Medien sprechen, wechseln sich kontinuierlich ab, und wichtige Entscheidungen werden in Plenarsitzungen demokratisch getroffen. Alle Studierenden sind eingeladen, sich an diesen Sitzungen zu beteiligen und den weiteren Verlauf der Proteste mitzugestalten.

Die Protestierenden fordern die serbische Regierung in drei Punkten zur Handlung auf: 

  1. Offenlegung aller Dokumente zum Ausbau des eingestürzten Bahnhofs;

  2. Anklage gegen die friedlich protestierenden Studierenden fallen lassen; 

  3. Festnahme und Identifizierung derjenigen Personen, die Studierende während der Proteste angegriffen haben;

  4. Eine Erhöhung der staatlichen Bildungsbudgets um 20 %, um den durch jahrelange Kürzungen entstandenen Missstand an serbischen Universitäten zu beheben. Dringend benötigt werden Investitionen in Infrastruktur, Klassenzimmer und technisches Equipment.

Bislang sind keine dieser Forderungen erfüllt worden. Doch die Studierendenbewegung zeigt keine Anzeichen von Erschöpfung. Vielmehr hat sich aus einem anfänglich studentischen Protest eine landesweite Bewegung entwickelt, die von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen unterstützt wird.

Die Protestierenden haben bereits jetzt gezeigt, dass sie mit ihrem Engagement und ihrer Entschlossenheit eine monumentale Bewegung geschaffen haben, die weiterhin stark bleibt.