Am 5. Februar organisierte die Arbeitsgruppe (AG) Wehrpolitik der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag eine Podiumsdiskussion zum Thema „Die neue Weltordnung". Durch den Abend führte Wolfgang Fackler, MdL und Vorsitzender der AG Wehrpolitik. Als Redner waren Prof. Dr. Stephan Bierling, Andrea Rotter (Hanns-Seidel-Stiftung) sowie Dr. Gerhard Hopp, MdL und Vorsitzender des Arbeitskreises Europa eingeladen. Zu Beginn stellte Herr Fackler die seit 1985 bestehende AG Wehrpolitik vor, deren zentrale Aufgaben insbesondere im Dialog mit der Bundeswehr sowie in der Kontaktpflege zu Soldatenverbänden, Reservisten und Ehemaligen liegen. Anschließend folgte ein Impulsvortrag von Prof. Dr. Stephan Bierling, der seine Analyse in drei zentrale Fragen gliederte:
1. Wo stehen wir?
2. Welche Folgen ergeben sich für Deutschland und Europa?
3. Welche Handlungsmöglichkeiten hat Deutschland, um die Entwicklungen mitzugestalten?
Bierling betonte, dass sich derzeit zahlreiche Ereignisse überschlagen und von einer „Achsenzeit“ gesprochen werden könne – einer Phase tiefgreifender historischer Umbrüche. Als Beispiel führte er die späten 1940er-Jahre an, in denen richtungsweisende Entscheidungen getroffen wurden, die bis heute nachwirken. Dazu zählen unter anderem die Etablierung von Freihandel, Menschenrechten, der UNO, der NATO sowie der Schuman-Plan. Mithilfe der USA wurde eine internationale Ordnung geschaffen, in die Russland und China integriert werden sollten. Heute sei jedoch eine systematische Zerstörung dieser Ordnung zu beobachten – begünstigt durch das Verhalten und die Äußerungen politischer Akteure wie Donald Trump, Wladimir Putin und Xi Jinping. Bierling warnte eindringlich vor den Folgen dieser Entwicklung für Deutschland, das bislang einer der größten Profiteure der bestehenden Weltordnung war. Das deutsche Wirtschaftsmodell beruhte auf günstigem Gas aus Russland, China als Exportabnehmer und sicherheitspolitischen Garantien der USA. Diese komfortable Ausgangslage führte laut Bierling zu einer sorglosen Haltung nach dem Motto „Uns kann nichts passieren“. In Verbindung mit schwacher politischer Führung stehe Deutschland nun jedoch „nackt“ da – ohne strategisches Konzept und ohne klare Zukunftsplanung. Anschließend skizzierte Bierling vier zentrale Maßnahmen, die als möglicher Ausweg aus der aktuellen Situation dienen könnten. Der erste Punkt sei eine neue Wertschätzung sowie ein stärkeres Bewusstsein für Außen- und Sicherheitspolitik. Dies setze insbesondere kompetente und durchsetzungsfähige Führungspersönlichkeiten in Schlüsselministerien wie dem Auswärtigen Amt und dem Verteidigungsministerium voraus. Zweitens müssten erhebliche Investitionen in die Bundeswehr erfolgen, um langfristige Planungssicherheit für militärische Beschaffungsprojekte über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren zu gewährleisten. Deutschland habe erstmals das NATO-Ziel von zwei Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben erreicht – jedoch nur durch eine breite Anrechnung verschiedener Posten. Wirtschaftsminister Habeck habe bereits eine künftige Erhöhung auf 3,5 Prozent ins Gespräch gebracht, was Bierling als positiven Schritt wertete. Der dritte Punkt betonte die Notwendigkeit, die USA weiterhin an Deutschland und Europa zu binden. Die militärischen Stützpunkte in Grafenwöhr und Ramstein könnten dabei als wichtige Argumente in Verhandlungen dienen, da sie für amerikanische Militärbewegungen von strategischer Bedeutung seien. Zudem könnte die EU in einem möglichen Handelskonflikt zwischen den USA und China geschlossen an der Seite der USA stehen und Wirtschaftssanktionen gegen China verhängen. Als vierte Maßnahme hob Bierling die Notwendigkeit hervor, junge Menschen für sicherheitspolitische Themen zu begeistern und gezielt in zentrale Entscheidungspositionen zu bringen. Er kritisierte einen erheblichen Fachkräftemangel in diesem Bereich und stellte fest, dass es in Deutschland – abgesehen von Prof. Dr. Gerlinde Groitl und Carlo Masala – kaum renommierte Experten auf diesem Feld gebe. Dazu habe unter anderem die sogenannte Zivilklausel beigetragen, die es dem Militär untersagt, Vorträge an Universitäten zu halten. Insgesamt sei die Bundeswehr zunehmend marginalisiert worden, während Frieden, Freiheit und Sicherheit nicht mehr als selbstverständlich wahrgenommen würden.
Anschließend folgte der Vortrag von Dr. Gerhard Hopp, der die veränderte Weltordnung betonte und Deutschland als „Weltmeister im Verschweigen und Ignorieren von Problemen“ bezeichnete. In den vergangenen Jahren sei das Land „schlafgewandelt“, anstatt sich den geopolitischen Herausforderungen aktiv zu stellen. Hopp forderte ein dringend notwendiges Umdenken: Deutschland müsse die Realität anerkennen und entsprechend handeln. Zudem sei es essenziell, die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft zu stärken – insbesondere im Hinblick auf hybride Bedrohungen und neue Formen der Kriegsführung. Auf den Beitrag von Dr. Gerhard Hopp folgte der Vortrag von Andrea Rotter, in dem sie die fehlende strategische Handlungsfähigkeit Deutschlands kritisierte. Sie betonte, dass der „Sense of Urgency“ – also das Bewusstsein für die Dringlichkeit sicherheitspolitischer Herausforderungen – zunehmend verloren gegangen sei. Rotter identifizierte drei zentrale sicherheitspolitische Herausforderungen für Deutschland:
1. Die transatlantischen Beziehungen, die durch den Revisionismus von Donald Trump erheblich gefährdet seien.
2. Die Bedrohung durch Russland, das mittelfristig in der Lage sein könnte, die NATO direkt anzugreifen. Laut Rotter sei Deutschland bereits Ziel russischer hybrider Kriegsführung, insbesondere durch Desinformationskampagnen.
3. Die geopolitische Entwicklung im indo-pazifischen Raum, insbesondere das Risiko eines eskalierenden Konflikts zwischen China und Taiwan.
Im Anschluss an die Vorträge folgte eine Fragerunde mit dem Publikum, bevor das Buffet eröffnet wurde und der spannende Abend seinen Ausklang fand.